Der Aufsatz hat zwei zentrale Anliegen. Einmal gilt es, die auf der Grundlage des diagnostischen Einsatzes von Modalpartikeln eruierte Zweiteilung der Nebensatztypen auf eine einheitliche erklärende Grundlage zu stellen. Und zum zweiten geht es um die spezifische Wissensabgleichsleistung deutscher Modalpartikel im dialogischen Wechselspiel zwischen Sprecher und Hörer (Hypothese zur „Fremdbewusstseinsabgleichfähigkeit“; in Anlehnung an Sperber/Wilsons (2986) Relevanztheorie). Zum ersten Punkt: Die Trennung der Nebensätze verläuft durch alle drei Typen (nach Haegeman 2006): 1. (faktive-nichtfaktive) Ergänzungssätze; 2. (temporal-lokative vs. logische) Adverbialsätze; und 3. ((nicht-)restriktive) adnominale Relativsätze. Dabei stellen die Modalpartikel ein entscheidendes diagnostisches Kriterium. Sobald ein deutscher Hauptoder Nebensatz die Setzung einer Modalpartikel (MP) zulässt, trägt er autonomes Illokutionspotenzial. Mit einer MP signalisiert der Sprecher die Bereitschaft, den Wahrheitswert seiner Äußerung so lange auszustellen, bis mit den Wissens- und Glaubenssätzen des Adressaten eine gemeinsame Basis für den weiteren Diskursverlauf hergestellt ist. Eine solche Sprecherdisposition ist syntaktisch-semantisch durch ForceP repräsentiert, die satzhierarchisch höchste Satzrepräsentation. Die spezifische Aufgabe dieser Kategorie berechtigt in Anlehnung an Bühlers Origotheorie zum Terminus ‚Sprecherdeixis‘. Es geht also darum, welcher Nebensatztyp sprecherdeiktisch autonom ist und inwiefern gerade MP zu dieser Sprecherdeixis beiträgt und in welchem Grad oder gar nicht andere modale Ausdrücke über dasselbe Illokutionspotenzial verfügen und ob – und wenn wie – solche Sprecherdeixis syntaktisch zum Ausdruck kommt. Zum zweiten thematischen Punkt dieses Aufsatzes wird dafür plädiert, dass die grundlegende Diskursleistung der MP Fremdbewusstseinsabgleich (FBA) ist (entsprechend zum englischen Begriff ‚theory of mind‘ im Erstspracherwerb, hier allerdings erweitert auf die sprachliche Erwachsenenkompetenz): MPs erweisen sich als Einladungen an den Hörer, zu Sprecheräußerungen so Stellung zu nehmen, dass eine gemeinsame Redegrundlage entsteht. So gesehen stellt dieser Ansatz zentrale Punkte aus Sperber/Wilsons Relevanztheorie zur Diskussion, löst allerdings entsprechende Fragen und Probleme ausschließlich mit Mitteln der Grammatik. Als übergreifend gemeinsamer Nenner für alle drei Nebensatztypen und ihr illokutives Potenzial werden beobachtet: diskursrelevante vs. ereignisrelevante Verknüpfung; Kontextvordergrundierung vs. -hintergrundierung; Präsuppositions- vs. Assertionsstatus (im Vergleich zum Hauptsatzstatus). Es zeigt sich, dass sich die Klasse der abhängigen Ergänzungssätze am stärksten gegen eine einheitliche Charakteristik sperrt.
This article has two main aims: Firstly, the fundamental division of subordinate clauses and the search for a unified explanation of this division, and secondly the specific speaker-hearer relevant information of German modal particles, which are responsible for the grammatical divide between two types of subordinate clauses, As for the first issue, the division cuts through all three types of dependent clauses (following Haegeman 2006): 1 (factive-nonfactive) complement clauses; 2 (temporal-locative vs. logical) adverbial clauses; and 3 ((non-)restrictive) adnominal dependent clauses. Modal particles are the shibboleth category in German. As soon as a German (in)dependent clause licenses a modal particle (MP), it carries autonomous speech act potential. By using an MP, the speaker signals willingness to put the truth value of an utterance on hold until a common basis for further interaction has been established with reference to the knowledge and belief systems of the addressee. Such a speaker status relates to ForceP, the highest clausal category in the syntactic representation of a sentence. Given its specific task we call the function of this category “speaker deixis”. The article addresses the question of which types of dependent clauses carry autonomous speaker deixis and whether – and if so on which pragmatic-semantic grounds – an MP encodes such speaker deixis. Furthermore, the article discusses whether adverbials of modality are on a par with MPs in terms of speaker deixis and how the respective speaker-hearer deictic differences project syntactically. As for the second issue in this discussion, it will be argued that the crucial operation active in the use of modal particles is Foreign Conscience Alignment (more generally ‘Theory of mind for adult competence’): MPs trigger reactions from the addressee to statements uttered by the speaker with respect to a common basis for the interaction based on the shared beliefs of both speaker and addressee. In a way this discussion addresses central points of Sperber and Wilson’s Relevance Theory, and it solves pertinent questions in purely grammatical terms. As for the uniting characteristics for all three types of dependent clauses, several options will be considered: discourse vs. event descriptions; contextual foregrounding vs. backgrounding; presupposition vs. assertivity (relative to the matrix clause). It will be seen that the class of dependent complement clauses provides the type which is most difficult to fit into a set of common characteristics.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-775X.2012.01.06 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-775X |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2012 |
Veröffentlicht: | 2012-02-16 |
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