Joachim Scharloth skizziert dabei zunächst die historisch-empanzipatorische Herkunft des Konzeptes ‚Identitätspolitik‘ in den 1970er Jahren und seine Kontinuitäten als soziale Praxis der Selbstlegitimierung von subalternen Gruppen. Davon grenzt er richtigerweise den gegenwärtig beobachtbaren Gebrauch des Ausdrucks „Identitätspolitik“ als Stigmawort im medio-politischen Interdiskurs ab, ein Gebrauch, der echte oder behauptete Selbstermächtigungsversuche marginalisierter Gruppen zu delegitimieren sucht. Aus dieser Tatsache bzw. diesem Widerspruch allein lässt sich meines Erachtens nicht begründen, Identitätspolitik könne keine analytische Kategorie sein. Prinzipiell teilt die Verwendung des Wortes ein ähnliches Schicksal wie auch „Verschwörungstheorie“ oder „Populismus“, also Wörter, die sowohl im Fach- als auch im Interdiskurs produktiv sind, wenn auch mit gänzlich unterschiedlichen Intentionen. Fielen alle Ausdrücke als analytische Beschreibungsbegriffe per se aus, nur weil sie im Interdiskurs eine deontische Funktion übernehmen, die Fachsprache zumal der Diskurs- und Politolinguistik dünnte sich alsbald aus. Nichtsdestotrotz muss natürlich immer auf die Verwendungsunterschiede hingewiesen werden, weil sonst der deskriptive Fachanspruch sich schnell im politischen Gefecht wiederfindet und/oder umgekehrt man übernimmt politische Konnotationen aus dem Interdiskurs in den Fachdiskurs und ersetzt schlimmstenfalls unwissend Beschreibung durch Haltung.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-775X.2024.04.05 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-775X |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2024 |
Veröffentlicht: | 2025-01-27 |
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